Dr. Julia F. Christensen ist ehemalige Profitänzerin und Neurowissenschaftlerin. In ihrem Buch „Tanzen ist die beste Medizin“ (mit Dong-Seon Chang) beschreibt sie die positiven körperlichen und psychischen Effekte des Tanzens.16TANZSPORT IN LEIPZIGFoto: Thomas Dashuber Warum ist Tanzen gesund für den Körper? Christensen: Beim Tanzen verbrennen wir zwischen vier und elf Kalorien pro Minute, je nach Tanzstil, und unser Puls geht auf über 140 Schläge pro Minute. Außerdem werden unsere Muskeln gestärkt, Faszien geschmeidig gehalten, die Durchblutung wird verbes-sert und die Beweglichkeit von Bändern und Gelenken bleibt erhalten. Einige Studien konnten sogar nachweisen, dass uns regelmäßiges Tanzen eine höhere Knochendichte bescheren kann, den Bluthochdruck bei Übergewicht senkt und die Schlafqualität verbessert. Tanzen ist gut fürs Herz: Wer über Jahre regelmäßig tanzt, hat ein geringeres Risiko, an Herzkrankheiten zu erkranken. Was passiert dabei im Körper?Christensen: Tanzen ist ein Fitmacher für unser Gehirn: Erste Langzeitstudien zeigen, dass Menschen, die regelmäßig tanzen, ein geringeres Risiko haben, an Demenz zu erkranken. Es verbessert unter anderem Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Koordination, Gleichge-wicht, Feinmotorik und die Raumwahr-nehmung. Tanzen hilft gegen Schmerz: Mehrere Studien berichten, dass es sich schmerzlindernd auswirkt, zum Beispiel bei chronischen Schmerzen wie Osteoarthritis und Fibromyalgie.Hat es auch positive Effekte auf die Psyche?Christensen: Ein gesunder Körper macht eine gesunde Psyche. Tanzen fokussiert uns auf das Hier und Jetzt und gibt uns Flow. Da verschwindet das Verkopfte und wir werden achtsam mit uns selbst und den anderen. Und Tanzen ist auch ein Gefühlsausdruck, verbindet uns mit anderen Menschen und sortiert die Gedanken. Tanzen ist ein regelrech-tes Antidepressivum.Warum tanzen wir überhaupt? Christensen: Weil wir nicht anders können. Unser Gehirn will tanzen. Unser Gehirn hat sich genetisch seit den Anfängen unserer Spezies nicht viel verändert. Die Fähigkeit zu tanzen liegt also in unseren Genen und ist uns angeboren. Schon Gehirne von Neugeborenen reagieren auf einen Beat anders, als wenn man ihnen Sprache oder zufällige Töne vorspielt. Salopp gesagt: Rhythmen, die unsere Ohren wahrnehmen, boxen unsere Beine praktisch auf die Tanzfläche! Haben Sie schon mal mit dem Kopf oder dem Fuß im Takt mitgewippt? Da haben Sie Ihre „Tanzgene“ in Aktion erlebt!Gibt es Erkenntnisse, wo in Deutschland mehr getanzt wird und wo weniger?Christensen: Was wir wissen, ist, dass in Deutschland weniger getanzt wird als in anderen Ländern. Das hat etwas mit kultureller Prägung zu tun. Ich habe hier schon oft gehört: „Wenn man das nicht ordentlich kann, sollte man es lieber lassen.“ Das ist sehr schade. Denn frei tanzen, das kann jeder. Choreografierte Tänze, die muss man lernen und üben. Konnten Sie Autofahren, ohne es zu üben? Heute fahren Sie Auto und können sich nebenbei unterhalten, Musik hören und so weiter. Unser Gehirn braucht Zeit, um neue Bewegungen zu verinner-lichen. Also Geduld.Sie sagen: „Jeder sollte tanzen“?Christensen: Unbedingt! Vor allem kön- nen wir alle von Tänzern viel lernen. Ich nenne es das „Tänzerwissen“, was uns in Beruf und Alltag hilft. Wer Entschei-dungen zu fällen hat, wer ein Team führt, ob im Job oder in der Familie – das Tänzer wissen hilft uns, den nächsten Schritt zu gehen und Pirouetten zu drehen. Mehr Infos: www.juliafchristensen.deBuch: Julia F. Christen-sen, Dong-Seon Chang: Tanzen ist die beste Medizin, Rowohlt Taschenbuch, 320 S. Vorträge: „Business is a Dancer“ und „Tanzen ist die beste Medizin“.Tanz-Expertin Julia ChristensenHeilung durch Bewegung„Tanzen ist gut fürs Herz“ Tanzsport in Leipzig